Stagflation und ihre Folgen: Drohende Entwicklungen am Aktienmarkt und Anlagestrategien für die neue Ära
Ich teile die äußerst wichtige Analyse von Wall Street-Experte Cem Carsan mit Dir, da er aufgrund des prognostizierten Endes der "Great Moderation", der Rückkehr anhaltender Inflation und der Parallelen zu den 1960er/1970er Jahren vorhersagt, dass das klassische 60/40-Portfolio für Privatanleger zukünftig nicht mehr funktionieren wird.
Liebe Leser/innen,
in einem äußerst interessanten Interview teilt Wall Street-Experte Cem Carsan seine Sichtweise zur aktuellen Marktlage. Carsan, der Gründer von Kai Volatility Advisors, prognostiziert einen tiefgreifenden Wandel: das Ende der Ära niedriger Preise und stabiler Märkte ("Great Moderation") und die Rückkehr einer anhaltenden Inflation, da die Staaten wieder mit viel Geld (Fiskalpolitik) die Wirtschaft steuern. Dabei zieht er Parallelen zu den 1960er und 1970er Jahren.
Ich persönlich finde die Analyse von Cem Carsan extrem wichtig und möchte die möglichen Implikationen für unsere Anlagestrategien unbedingt mit Dir teilen. Für uns Privatanleger ist das wichtig: Das beliebte 60/40-Portfolio (Aktien und Anleihen) wird Carsan's Meinungen nach zukünftig nicht mehr so reibungslos funktionieren.
Die Hauptthese von Cem Carsan ist, dass die Weltwirtschaft in eine Ära struktureller und anhaltender Inflation eintritt. Diese wird durch umfangreiche staatliche Haushaltsausgaben und eine Umkehrung der Kräfte angetrieben, welche die Inflation in den letzten drei Jahrzehnten unterdrückt haben. Dies wird oft als das Ende der „Periode der Großen Moderation“ bezeichnet.
Zu den wichtigsten strukturellen Treibern gehören:
- Deglobalisierung und Rückführung der Produktion: Die politische Notwendigkeit, Lieferketten aus Gründen der Widerstandsfähigkeit und Sicherheit näher an die Heimat zu verlagern, wird die Produktionskosten erhöhen. Dies kehrt jahrzehntelangen Abwärtsdruck durch die Globalisierung um.
- Dekarbonisierung und die Energiewende: Die massiven Kapitalausgaben, die für die Umstellung auf nachhaltige Energie erforderlich sind, wirken kurz- bis mittelfristig von Natur aus preistreibend (inflationär).
- Demografie: Alternde Bevölkerungen in wichtigen Volkswirtschaften führen zu einer kleineren erwerbsfähigen Bevölkerung im Verhältnis zu den Abhängigen, was zu Arbeitskräftemangel und Lohnsteigerungen beitragen kann.
Zugehörige Risiken und Auswirkungen für die Weltwirtschaft
Das Hauptrisiko ist eine anhaltende Phase hoher Inflation, gepaart mit geringerem Wirtschaftswachstum – Stagflation. Die Auswirkungen für den globalen Aktienmarkt und die Weltwirtschaft sind erheblich:
- Auswirkungen auf den Aktienmarkt: Dieses Umfeld begünstigt traditionelle Wirtschaftszweige (Substanzwerte) gegenüber den Wachstumswerten (Neue Technologien/Sektoren) mit langer Bindungsdauer. Unternehmen mit hoher Preissetzungsmacht und Sachwerten werden besser abschneiden als jene, die auf billiges Kapital und minimale Inflation angewiesen sind. Die Gesamtrenditen breiter Aktienindizes werden real (inflationsbereinigt) voraussichtlich niedriger sein als in den letzten Jahrzehnten.
- Auswirkungen auf den Anleihenmarkt: Das traditionelle 60/40-Portfolio ist gescheitert. Anleihen werden aufhören, ein zuverlässiger Schutz gegen Aktienrisiken zu sein, da die Inflation ihren Wert untergräbt. Zentralbanken werden, eingeschränkt durch massive Staatsschulden, zögern, die Zinsen ausreichend anzuheben, um die Inflation zu zähmen, was zu finanzieller Repression (negativen Realzinsen) führt.
- Weltwirtschaft: Die Welt wird wahrscheinlich eine höhere Volatilität, eine verstärkte Monetarisierung von Schulden (also Schuldenerwerb durch Zentralbanken), und eine Verringerung der globalen Handelseffizienz erleben, was zu langsameren Gesamtwachstumsraten führt.
Exkurs zur Politischen Richtung: Parallelen zu 1960–1982
Carsan hebt eine politische Verschiebung hin zur Vorrangstellung der Fiskalpolitik und zur Industriepolitik hervor. Nach Jahrzehnten, in denen die Zentralbanken (Geldpolitik) die Wirtschaftsführung innehatten, übernehmen nun die Regierungen (Haushaltspolitik) durch große Ausgabenprogramme (z. B. Infrastruktur, grüner Wandel, Verteidigungsausgaben) die Führung.
Die Parallelen zur Periode von 1960 bis 1982 sind zentral für die These:
- Der Zusammenbruch des Systems: Die 1960er und 1970er Jahre waren geprägt vom Ende des Bretton-Woods-Systems und einer Periode geopolitischer Instabilität, hoher Ölpreise und steigender Macht der Arbeitnehmer – all dies trug zu schwerer, anhaltender Inflation bei.
- Politische Reaktion: Ähnlich wie heute gab es eine Verschiebung hin zu einer aktivistischen Regierungspolitik, hohen staatliche Ausgaben und Versuche, Preisniveau und Beschäftigung gleichzeitig zu steuern (was zu Stagflation führte).
- Das Ende der Ära: Der stagflationäre Zyklus von 1960–1982 wurde nur durch den Volcker-Schock (extreme Zinserhöhungen) und die darauf folgende Ära der Globalisierung und Deregulierung gebrochen, welche die Inflation strukturell reduzierten. Carsan deutet an, dass der politische Wille für einen ähnlichen Schock im Volcker-Stil aufgrund der immensen Schuldenlast im System derzeit gering ist.
„Lösungen“ und Portfolio-Schock-Vermeidung für Privatanleger
Um größere Schocks in ihren Portfolios in einem stagflationären Umfeld mit Vorrangstellung der Fiskalpolitik zu vermeiden, schlägt Carsan vor, dass Privatanleger sich auf inflationsabsichernde Vermögenswerte konzentrieren und das Engagement in anfälligen Anlagen mit langer Bindungsdauer reduzieren sollten.
Die „Lösungen“ (Anpassung der Vermögensallokation):
- Erhöhung des Engagements in Sachwerten: Dazu gehören Rohstoffe, wie Industriemetalle, Energie und Agrarrohstoffe, die tendenziell mit der Inflation korrelieren.
- Investition in Substanzwerte/Zyklische Aktien: Konzentriere Dich auf Unternehmen mit Preissetzungsmacht, geringer Verschuldung und hoher Erzeugung von Barmitteln, insbesondere in Sektoren wie Energie, Materialien und Finanzen. Diese Aktien übertreffen in Inflationsperioden typischerweise den Markt.
- Inflationsgeschützte Staatsanleihen (ILBs): Inflationsgeschützte Wertpapiere (z. B. TIPS in den USA) können einen zuverlässigen Schutz gegen steigende Verbraucherpreise bieten.
- Reduzierung von Anlagen mit langer Bindungsdauer: Reduziere das Engagement in konventionellen, langfristigen Staatsanleihen und hoch bewerteten, spekulativen Wachstums-/Technologieaktien. Diese Aktien sind von niedrigen Abzinsungssätzen (niedrigen Zinssätzen zur Bewertung zukünftiger Einnahmen) abhängig.
Fazit für Privatanleger: Einfach und Klar
Die Weltwirtschaft steht vor einem Paradigmenwechsel: Anstelle der gewohnten Stabilität droht in den nächsten 5 bis 10 Jahren Stagflation (hohe Inflation bei gleichzeitig niedrigem Wachstum), da die Regierungen wieder mit massiven Ausgaben (Fiskalpolitik) die Führung übernehmen. Die traditionelle Anlagestrategie des 60/40-Portfolios ist dadurch nicht mehr zuverlässig.
Für uns als Privatanleger bedeutet das: Schutz des eigenen Vermögens, indem einfache, inflationssichere Sachwerte bevorzugt und hoch bewertete spekulative Aktien vermieden werden sollten. Die simple Lösung: Setzen auf reale Werte (z. B. Rohstoffe und Substanzwerte in traditionellen Sektoren wie Energie und Materialien) und das Reduzieren von Anleihen mit langer Laufzeit sowie stark auf zukünftiges Wachstum ausgerichtete Technologieaktien.
Natürlich ist die Meinung von Cem Carsan nur eine von vielen. Schließlich ist die Vergangenheit kein erfolgreicher Indikator für zukünftige Entwicklungen. Dennoch reimt sich die Geschichte oft, und die Parallelen zur Vergangenheit werden in diesem Fall offensichtlich. Aus diesem Grund ist es gewiss nicht verkehrt, potenzielle Anpassungen in Deinem Portfolio mit Blick auf die kommenden Jahre vorzunehmen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Zinsentwicklungen der letzten Jahre eine erste Warnung für kapitalbedürftige Wachstumsunternehmen darstellten.
Sollten sich die vorgestellten Thesen ansatzweise bestätigen, darfst Du zuversichtlich sein: Es wird höchstwahrscheinlich interessante und lukrative Investment-Chancen in fundamental starken Substanzwerten (Value-Aktien) geben. Bleib wachsam, pass deine Strategie an, und sieh die Herausforderung als Chance!
Viele Grüße & Happy Trading,
Patrik Leuchte
Das volle Interview (auf Englisch) findest Du unter dem folgenden Link:
https://www.youtube.com/watch?v=bXuT3UGhL5E
